Vom Schnellprozess zum Standgericht?
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Vom Schnellprozess zum Standgericht? Einige rechtliche Anmerkungen zur bedenklichen Entwicklung!
Die Bilder von Schweinfurt sollten dem Bürgerprotest abschrecken, doch sie haben genau das Gegenteil erreicht: Menschen, die am Sonntagabend brutal von der Polizei festgenommen wurden, fanden sich am Montagnachmittag in verdreckter Kleidung und mit offen sichtbaren Wunden im Gerichtssaal wieder, um sich (offensichtlich ohne Rechtsanwälte) medienwirksame Verurteilungen „abzuholen“. Seither geistert der Begriff „Schnellverfahren“ wieder durch die Medienlandschaft und auch der – immer hilfloser wirkende – Innenminister Roland Wöller findet daran Gefallen. Doch wie sieht es rechtlich überhaupt aus? Im Sommer 2021 gab es schon mehrere Schnellverfahren – mit eher dürftigem Ausgang für die staatlichen Verfolgungsbehörden.
- Keine Schnellverfahren bei Ordnungswidrigkeiten
Zunächst vorweg: Bei Ordnungswidrigkeiten gibt es keine Schnellverfahren. Selbst, wenn die Landratsämter schneller arbeiten (was im Zweifel zu Lasten der Gründlichkeit geht und ihnen vor Gericht wieder um die Ohren fliegt), liegt der Ball ab einem Einspruch bei den Staatsanwaltschaften und den ohnehin bereits mit OWi-Verfahren überlasteten Gerichten. Und je mehr OWi-Anzeigen Kretschmers Behörden erstatten, desto mehr werden diese Gerichte – umgangssprachlich gesagt – mit weiterem Papierkram zugemüllt.
- Das beschleunigte Verfahren im Strafrecht
In § 417 ff StPO ist geregelt, unter welchen Umständen ein „beschleunigtes Verfahren“ durchgeführt werden kann. Vorliegen muss: Ein einfacher, leicht aufzuklärender Sachverhalt.
https://www.buzer.de/417_StPO.htm
Und bei fast allen Spaziergangs- und Versammlungslagen ist das bereits nicht der Fall, denn es ist hochkomplexe Juristerei, ob überhaupt eine Versammlung vorliegt, der polizeiliche Eingriff gerechtfertigt war und welche Video- und Zeugenaufnahmen es gibt. Im Fall der Schnellverfahren, die in Zwönitz im Sommer 2020 geführt werden sollten, hat das Gericht deshalb fast alle Anträge der Staatsanwaltschaft abgelehnt und auf reguläre Verfahren verwiesen.
- Recht auf einen Anwalt gilt natürlich auch im Schnellverfahren
Wenn an euch ein Exempel statuiert werden soll, lohnt es sich, unverzüglich einen Anwalt hinzuzuziehen.
https://www.buzer.de/137_StPO.htm § 137 Recht des Beschuldigten auf Hinzuziehung eines Verteidigers
Der wird zunächst die Aussetzung des Schnellverfahrens beantragen. Wenn es doch zu einem solchen Verfahren kommen sollte, weiß ein Anwalt, was zu tun ist. Spätestens am Ende der Verhandlung liegt der Ball ohnehin bei euch: Das Gericht darf im Schnellverfahren nur vergleichsweise geringe (Freiheits-)Strafen verhängen. Sobald das Urteil gefällt ist, stehen euch alle gängigen Rechtsmittel und Anfechtungsmöglichkeiten (Berufung, Revision, ggf. Verfassungsbeschwerde) zu. Diese finden dann nicht mehr in Schnellverfahren statt, sondern in regulären Gerichtsverfahren mit ordentlicher Beweiserhebung und den entsprechenden Fristen.
- Der Ladendieb-Paragraph
Ursprünglich waren beschleunigte Verfahren gedacht, um beispielsweise einen eindeutig überführten Ladendieb zeitnahe einem Gericht zuzuführen und ihn mit einer direkten Strafe von weiteren Taten abzuschrecken, ehe sich die Delikte über Monate oder Jahre sammeln. Dass die Politik jetzt überlegt, diesen Paragraphen gegen spazierende Bürger einzusetzen, sagt viel darüber aus, wie stark das Rechtssystem in diesem Land ins Wanken geraten ist.
Letztendlich ist die Forderung nach Schnellverfahren ein Versuch, Bürger einzuschüchtern. Wer seine Rechte kennt, weiß sich aber dagegen zu wehren. Grundsätzlich gilt natürlich: Versucht, so wenig juristische Angriffsfläche wie möglich zu bieten, lasst euch nicht von den Behörden provozieren. Wenn euch aber doch einmal ein Vorwurf gemacht wird (oft werden bei überzogenen Polizeieinsätzen bekanntlich Täter und Opfer verdreht), solltet Ihr wissen, dass es ausreichende Möglichkeiten zur juristischen Gegenwehr gibt!
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Zusätze der Redaktion:
1. Gesundheitszustand überprüfen lassen. Ob eine Person in der Verfassung ist, zu einer Gerichtsverhandlung zu erscheinen oder nicht, entscheidet das Gericht. Ärztinnen und Ärzten kommt dabei eine gutachterähnliche Rolle zu, die sie durch das Ausstellen eines Attests erfüllen. Zu beachten sind dabei Mindestinhalte für dessen Erstellung. https://www.aerzteblatt.de/archiv/212112/Atteste-Feststellung-der-Verhandlungsunfaehigkeit
2. Gegenanzeigen stellen gegen die beteiligten Polizisten, wenn sie nach deiner Meinung Recht gebrochen haben. Nach § 164 Strafgesetzbuch (StGB) werden falsche Verdächtigungen als Straftat gewertet. Dabei muss der Täter die Absicht verfolgen, gegen den anderen ein behördliches Verfahren oder eine andere behördliche Maßnahme herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.
3. Von Polizisten verursachte Köroerverletzung kann eine Körperverletzung im Amt sein, wenn die Körperverletzung nicht durch andere Rechtsgüter gedeckt oder überzogen ist, ausserhalb der Verhältnissmässigkeit der Mittel https://www.buzer.de/340_StGB.htm
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